“Menschen sind mein Thema”

Wer kennt noch Herrn Siegwart? Jenen Mann, der nach schweren Kinder- und Jugendjahren schließlich nach Neuendettelsau kam und für das Mutterhaus des Diakoniewerks treue Botendienste leistete? Und als Kreuzträger bei Beerdigungen auf dem Anstaltsfriedhof niemals fehlte? Wer ihn nicht mehr kennt, konnte ihn kennenlernen in einem ausgezeichneten Porträt, das Erika Ruckdäschel verfasst hat. Am Freitag (24. November) eröffnete die Autorin mit diesem Text den “Literarischen Feierabend” im Bürgertreff.

Eine unterhaltsame, ja spannende und kurzweilige Stunde erlebten die Besucherinnen und Besucher der Lesung. Erika Ruckdäschel gab mit den Vorträgen aus ihren Publikationen nicht nur Einblicke in ihr umfangreiches Schaffen, sondern auch in viele Episoden ihres Lebens. Das trotz des beschwerlichen Wegs durch die Tiefen der Kriegs- und Nachkriegszeit und einigen Schicksalsschlägen viele heitere Seiten hatte. Zumindest zeugen davon ihre Texte. Und wo das Heitere mal fehlte, verarbeitete sie ihre Erlebnisse mit feinem Humor, gepaart mit einer nüchternen Erzählkraft, die bei Lesern – und Zuhörern noch mehr – Bilderwelten erzeugt und nicht selten nachdenklich macht.

Die Veranstaltung war mehr als eine reine Autorenlesung aus den vielen Publikationen, die im Laufe der Jahrzehnte von Erika Ruckdäschel erschienen sind. Die Erklärung zur jeweiligen Entstehungsgeschichte, die kleinen gedanklichen Ausflüge in die Erlebenswelt der scharfen Beobachterin warfen Schlaglichter auf sie selbst und erhellten ihre starke Persönlichkeit. Und ihre Zugewandtheit zu den Menschen in aller ihrer Verschiedenheit. “Menschen sind mein Thema. Sie interessieren mich”, sagte sie. Aber sie interessiert sich auch für die Geschichte ihres Schranks, der im 18. Jahrhundert in Ansbach angefertigt worden (und zu ihrem Leidwesen aus eigenem Verschulden spurlos verschwunden) ist; und die Geschichte ihres erlesenen Kaffeeservice, von dem nach sechs Jahrzehnten nur noch die Zuckerdose ihr Dasein fristet.

Erika Ruckdäschels Schaffen umfasst rund zwei Dutzend Publikationen, die in über vier Jahrzehnten entstanden sind. Die gelernte Journalistin verarbeitet darin etwa Kindheitserinnerungen an ihre Heimatstadt Ohrdruf in Thüringen, Episoden aus ihrem Lebensumfeld, aber auch Begegnungen mit Menschen. Noch habe sie ihr Schaffenswerk nicht abgeschlossen, berichtete sie. Man darf gespannt sein. Und sie erneut einladen zu einem “Literarischen Feierabend”. Interessanten und fesselnden Stoff dafür hat sie genug.

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