Arbeitsfeld Demokratie

Als Schüler sich auf dem Schulhof prügeln, veranstaltet der Lehrer am Ende der Woche mit der ganzen Klasse eine Gerichtsstunde. Schülerinnen und Schüler sollen ihre gewalttätigen Kameraden anhören, deren Schilderungen und Motive bewerten und schließlich ein Urteil fällen. Diese Szene ereignete 1949, in dem Jahr, als das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland verkündet worden ist. Ilse Brendel, Diakonisse im Ruhestand, schilderte sie während des Podiumsgesprächs “75 Jahre Grundgesetz” am Freitag (24. Mai) im Bürgertreff. “Demokratie mussten wir erst lernen”, berichtete die heute 87-jährige Diakonisse.

Nach dem Ende des Nationalsozialismus und den anschließenden vier Jahren Militärregierung durch die Alliierten begann im Westen das politische (und wirtschaftliche) Leben neu. Für damalige Kinder zunächst unbewusst, wie auch der 84-jährige Günter Kohlmann erinnerte. Dass bunte Parteifähnchen zu schwenken kein angemessenes Kindervergnügen war, hatte zwar sofort schmerzhafte Konsequenzen, wurde ihm jedoch erst später bewusst. Erst als reife Schüler erlebten die heutigen Senioren, welche Veränderungen nicht nur in der Politik, sondern auch in der Gesellschaft das Grundgesetz brachte: Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung von Mann und Frau etc. Die demokratischen Freiheiten erlebte Günter Kohlmann besonders drastisch als Ehemann einer aus Ostdeutschland ausgereisten Frau und als Lehrer in Spanien unter der Franco-Diktatur.

Die Schülerin Angelina Fechter und der Schüler Niklas Feuerstein, beide im Laurentius-Gymnasium, staunten über die Berichte der Senioren auf dem Podium. Für sie sei Demokratie mit dem grundgesetzlich garantierten Freiheiten etwas ganz Normales. Aber auch sie arbeiten in der Schule und im Unterricht am Thema, weil Demokratie und Grundgesetz nichts Selbstverständliches seien. Im Fach PuG (Politik und Gesellschaft) und in Planspielen gehe es immer wieder darum, sich die Demokratie und deren Auswirkungen aufs Zusammenleben bewusst zu machen. Meinungsfreiheit, Menschenrechte, ja die ersten 20 Artikel des Grundgesetzes und die “Ewigkeitsklausel” seien ihnen sehr wichtig. Denn die Demokratie sei heute durchaus von außen und innen bedroht.

Das Podiumsgespräch beleuchtete viele Facetten unseres Staatswesens und führte zum Ergebnis, dass es sich lohnt, sich in allen Fragen an das Grundgesetz zu halten. Auch in Bezug auf die Migration und die Aufnahme von Flüchtlingen. Auch gegenüber extremistischen Kräften, die in jüngerer Zeit stärker geworden sind. Die Demonstrationen der vergangenen Monate für Demokratie und Zusammenhalt seien ein Mut machendes Zeichen gegen rechtsextremistische Tendenzen. Demokratie brauche auch immer wieder frische Impulse durch junge Leute. Heute werde zumeist von alten Parlamentariern Politik für alte Menschen gemacht.

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