Wer für den nächsten Urlaub, für einen Regentag im Sommer oder für kreative Ausflüge im Lehnstuhl Lektüre sucht, hat mehrere Möglichkeiten: einfach in den „offenen Bücherschrank“ greifen, auf die Spiegel-Bestsellerliste tippen, Rezensionen in Zeitungen lesen – oder sich von Maria Neumann beraten lassen. Dann kann man ziemlich sicher sein, nicht nach den ersten 50 Seiten den Band gelangweilt wegzulegen. Die Buchhändlerin kennt sich mit den Neuerscheinungen auf dem unüberschaubaren Büchermarkt aus. Deshalb war ihre Lesereise beim Literarischen Feierabend am Freitag (6. Juni) im Bürgertreff genussvolle Navigation auf dem Büchermeer.
Maria Neumann hatte fünf Neuerscheinungen und den 120 Jahre alten Reiseroman über die Insel Rügen der Britin Elizabeth von Arnim mitgebracht. Sozusagen ein Kontrapunkt zur Literatur des 21. Jahrhunderts. Ihren Bücherpacken hatte sie sorgsam zusammengestellt – je drei Autorinnen und Autoren, Fränkisches und Polyglottes, Heiteres und Ernstes. Jede Leseprobe, eingeleitet von Informationen, die eine Ahnung von der Handlung vermittelten, warf bei den Zuhörenden schnell das Kopfkino an. Und die individuelle Qualitätswaage: Mein Genre? Mein Geschmack?
Die Geschichten an diesem Abend konnten unterschiedlicher und Spannung erzeugender kaum sein. Das Leben der Magdeburgerin Hanna Krause, die als Blumenbinderin begann und sich als Kranführerin in einer Männerwelt behauptete und den Überblick über die Geschichte des vergangenen Jahrhundert behielt. Die von Angst und Armut geprägte Kindheit von Toni, der aus seinem abgeschiedenen oberfränkischen Tal flieht, letztlich aber doch verwahrlost und einsam dort stirbt. Die ach so unterschiedlichen Leben zweier Frauen in einem fränkischen Dorf, in dem die 1968er Jahre die Bewohner nur in ganz kleiner Dosierung berühren. Das Abenteuer eines Schriftstellers und seiner Putzfrau, die bei der Suche der Mutter eines Kindes einem Verbrechen auf die Spur kommen. Die Wandlung, die eine Übersetzerin erfährt, als sie ein vom Sufismus geprägten Text übersetzen muss.
Maria Neumann referiert nicht nur die Handlungen und Zusammenhänge. Sie berichtet auch, wie die Bücher auf sie gewirkt, ihren Horizont erweitert, ihren Blick auf die Welt verändert haben. Gute Literatur, das wird den Besucherinnen und Besuchern des Abends bewusst, ist Nahrung für den Geist. Damit diese in verträglichen Häppchen konsumiert werden konnte, gab es zwischen den Buchvorstellungen mit Leseproben jeweils am Klavier begleitete Lieder zum Mitsingen. Quasi zum Verdauen der Geistesnahrung.
Insgesamt ein lehrreicher und unterhaltsamer Abend. Maria Neumann von der Freimund-Buchhandlung kann man regelmäßig hören. Jeden Sonntag wird auf der Crossiety-App ein Podcast mit ihr veröffentlicht. Oder man klickt auf die Seite buchhaendlerinnen.de. Dort sind die Podcasts der vergangenen fünf Jahre zu finden.
Die sechs Bücher: Annett Gröschner, „Schwebene Lasten“; Tommie Goerz, „Im Tal“; Elif Shafak, „Die vierzig Geheimnisse der Liebe“; Ewald Arenz, „Zwei Leben“; Elizabeth von Arnim, „Elizabeth auf Rügen“; Volker Klüpfel, „Wenn Ende gut, dann alles“.
Vielen Dank für den schönen Abend und diesen Artikel. Ich fühle mich sehr geehrt.