Wenn Nachbarn Unterstützung brauchen

Selbstständig und selbstbestimmt leben im Alter, auch in der gewohnten Umgebung oder im eigenen Haus. Das möchten die meisten Menschen. Wenn aber irgendwann die Gartenarbeit Mühe macht, der Weg zum Einkaufen zu beschwerlich ist, das Fensterputzen eine Last wird? Gut, wenn dann Unterstützung angefragt werden kann, von den eigenen Kindern oder von Nachbarn. Was aber, wenn die Kinder nicht einspringen können und man die Nachbarn nicht immer bitten möchte?

In diesem Fall ist eine “organisierte Nachbarschaftshilfe” eine segensreiche Einrichtung. Weil die um Hilfe Nachsuchenden keine Bittsteller sind und Helfenden eine kleine Vergütung erhalten. Ein faires Miteinander, bei dem sich die Gebenden und Nehmenden auf Augenhöhe begegnen. Bei dem die Helfenden eine sinngebende Tätigkeit leisten und die Unterstützten kein schlechtes Gewissen haben müssen. Zudem stärkt die organisierte Nachbarschaftshilfe das Miteinander in der Gesellschaft. Dass sie günstiger ist als professionelle Hilfe von Dienstleistern, ist ohnehin klar.

Ein Beispiel für vorbildliche Nachbarschaftshilfe ist die Bürgergemeinschaft Hand-in-Hand in Dinkelsbühl. Deren Vorsitzender Klaus Miosga aus Langfurth hat sie am Dienstagabend im Bürgertreff in der Passage vorgestellt. Gegründet hat sich die Bürgergemeinschaft als eingetragener Verein im Jahr 2014, ein Jahr später nahm dieser seine Arbeit auf. Rund 500 Mitglieder zählt der Verein heute im Altlandkreis Dinkelsbühl und inzwischen auch einige in Feuchtwangen. Etwa 70 Menschen unterschiedlichen Alters bieten ihre Hilfe an, etwa 135 Seniorinnen und Senioren fragen Hilfe an. Sie alle müssen Vereinsmitglied sein. Damit Angebot und Nachfrage zusammenfinden, gibt es in Dinkelsbühl ein Büro, das von bezahlten Fachkräften besetzt ist.

Die Hilfe ist nicht kostenlos, sondern der Stundensatz klar geregelt. Acht Euro pro Stunde muss bezahlen, wer die Unterstützung in Anspruch nimmt. Davon erhalten die Helfenden sechs Euro, zwei Euro fließen an den Verein. Den Helferlohn kann man sich ausbezahlen lassen oder auf ein Vereinskonto buchen lassen. Das ist dann ein persönliches Ansparkonto, das man entweder bei Bedarf anzapfen kann oder von dem die Entschädigung abgebucht wird, wenn man selbst Hilfe braucht. “Die Geldentschädigung hat sich bewährt”, berichtete Klaus Miosga. “Die Unterstützten sind froh, dass sie ihre empfangene Leistung honorieren können. Wer nur Hilfe empfängt und nichts dagegen geben kann, bekommt ein schlechtes Gewissen.”

Der Verein finanziert sich nicht allein aus den zwei Euro pro Stunde vermittelter Leistungen. Alle Mitglieder leisten einen Jahresbeitrag (Einzelperson 36 Euro, Paare 54 Euro). Auch verschiedene Institutionen bezahlen einen Förderbeitrag. Allerdings lassen sich laut Klaus Miosga die Unkosten damit nicht decken. Zumal alle Helfenden abgesichert sind, wenn Schäden entstehen oder sie selbst Schaden nehmen. Deswegen wirbt er Spenden ein und verlangt von neuen Mitgliedern eine Aufnahmegebühr. Eine Anschubfinanzierung erhielt die Bürgergemeinschaft vom bayerischen Sozialministerium.

Das Spektrum, das Hand-in-Hand abdeckt, ist breit. Vom Rasenmähen bis zum Heckenschneiden, vom Fensterputzen bis zur Einkaufsbegleitung, von Kleinreparaturen im Haushalt bis zur Einweisung in den Umgang mit Handy oder Computer. Erheblichen Umfang nehmen auch Fahrten zu Ärzten, gerade zu Fachärzten und in Kliniken ein. In diesen Fällen werden zu den geleisteten Stunden auch die Entfernungen (25 Cent pro Kilometer) abgerechnet. Grundsätzlich nicht eingesetzt werden Helfende, wo man in Konkurrenz zum Handwerk treten könnte.

“Die Hilfeleistung eines jeden ist mehr als die sichtbare tätige Arbeit”, betonte Klaus Miosga, der sich selbst regelmäßig einspannen lässt. “Es finden Ansprache und Gespräche statt, zwischen Gebenden und Nehmenden wächst Vertrauen und Vertrautheit.” Diesen Mehrwert für das Gemeinwesen könne man nicht ermessen. Außerdem, so sagte er, fänden manche jungen Rentner zu einer sinnstiftenden Aufgabe.

Die Teilnehmenden an der Vortragsveranstaltung, darunter mehrere Mitglieder des Seniorenbeirats, waren vom Dinkelsbühler Modell durchaus beeindruckt. Sie wollen den Impuls aufnehmen und darüber nachdenken, wie man Nachbarschaftshilfe in Neuendettelsau neu aufsetzen kann, nachdem der Tauschring aus der Anfangszeit des Bündnis für Familie sich nicht als dauerhaft erwiesen hatte. “Es ist keine Frage, ob wir eine organisierte Nachbarschaftshilfe in Neuendettelsau wollen” , zog Gemeinderatsmitglied Manfred Riedel eine Bilanz zum Vortrag. “Wir brauchen sie.”

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